Themenkreis: Dekolonisierung

Die Ganzheitliche Sicht von Reifung und Ernte in einem Menschenleben

Wir werden uns in diesem Blogbeitrag hauptsächlich über die innere und äussere Ebene einer Dekolonisierung unserer Sichtweise auf das menschliche Leben in der westlichen Welt unterhalten - in dem wir die zweite Lebenshälfte als eine Zeit der Reifung und Ernte betrachten und anerkennen lernen. 


In Analogie zur Kolonialisierung, Ausbeutung, Umerziehung und Unterwerfung von Indigenen Völkern auf der ganzen Welt in den vergangenen Jahrhunderten, gehen wir davon aus, dass viele von uns als Kinder und Jugendliche zumindest teilweise durch ein eingeengtes, unvollständiges, nicht nachhaltiges Weltbild geistig geprägt (kolonisiert) wurden und als Erwachsene oft unbewusst innerhalb dieser Beschränkungen leben - und damit uns selber und unserern Lebensgrundlagen auf dieser Erde schaden zufügen, die sich uns u.a. als Technokratie, Pandemie oder als Umwelt- und Klimakatastrophen zeigen können.

Wie es in vielen Teilen der Welt nun geschieht, sind diese Völker, z.B. die Sami im Norden von Skandinavien, die Indigenen First Nation in Kanada - oder analog die Fahrenden, die Jenischen oder ehemaligen "Kinder der Landstrasse" in der Schweiz - nun in Dekolonisierungs-Prozessen angekommen, die ihnen die Möglichkeit geben, ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Lebensweise wieder frei zu entfalten; damit ist ein langwieriger, kulturgeschichtlicher Prozess des Rückbaus kolonialer Strukturen in sozioökonomischer und v.a. auch psychischer Hinsicht verbunden. Bei vielen betroffenen Völkern sind auch Versöhnungsprozesse in Gang, bei denen sich besipielsweise die Schweizer Landesregierung sich kürzlich bei den ehemaligen "Kindern der Landstrasse" entschuldigt und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestanden hat. Das sind Schritte in die richtige Richtung. Hier erleben wir eine Form der äusseren und inneren Dekolonisierung.


In Anlehnung an dieses Bild können wir nun folgendes sagen:
Bei einer generellen Dekolonisierung unserer Lebensweise und Weltsicht in der zweiten Lebenshälfte und als ältere Menschen in Pension, erhalten wir mit dem "Nachmittag und Abend unseres Lebens" die grosse Chance uns von vielen uns am "Vormittag" auferlegten Einschränkungen zu befreien, diese zu hinterfragen, unser Leben zur Reife zu bringen, dieses zu ernten und unsere Sicht- und Handlungsweise zu ändern. Wir fangen an uns von der die Jugend verherrlichenden, vorherrschenden und uns kolonisiernden Lebens- und Denkweisen der ersten Lebenshälfte, die in der westlichen, manipulativ-kapitalistischen  Konsumweltsicht vorherrscht, zu lösen. In diesem inneren Dekolonisierungsprozess können wir erkennen, dass die zweite Lebenshälfte mindestens so bedeutungsvoll ist, wie die erste und geben dieser - inklusive dem Alter und dem Tod - einen neuen Wert. Ohne dass die Menschheit - auch im globalen Westen - die Bedeutung der zweiten Lebenshälfte als Reifungs- und Ernteprozess erkennt, wertschätzt und integriert, bleibt unsere Gesellschaft in der Weltsicht des Anthropozän und dessen schädlichen, zerstörerischen Handlungsweisen - gerade auch gegenüber dem Planeten Erde und den darauf lebenden Lebewesen - hängen. Ein Reifungs- und Ernteprozess findet ohne diese befreiende Dekolonisierung und Neuausrichtung unseres Lebens in der zweiten Lebenshälfte kaum statt. Wenn wir es jedoch tun, dann machen wir uns in unserer 2. und "3. Lebenshälfte" auf den Weg, Alte&Weise Menschen - sog. "Elders" - zu werden (wie wir sie von den durch unsere Vorfahren direkt oder indirekt kolonialistisch geschundenen Indigenen Nationen her kennen), um als diese in einem neuen (alten) Selbstbewusstsein neben unserem Wissen, auch Lebenserfahrung und Weisheit zurück in die Welt zu bringen. Wir lösen uns aus dem "Abseits", in dem viele ältere Menschen stehen, und fangen an, als Weise in die Mitte der Gesellschaft zurückzukehren und diese mit unserer Anwesenheit zu nähren und anzuleiten (äussere Dekolonisierung).  

„Die Menschheit hat ihren Jahrmillionen-alten und von Wohlbefinden gekennzeichneten Weg in eine der Spezies Mensch typischen Verbindung unter sich und mit der Mitwelt verloren“ 

Prof. psych. em. Darcia Narvaetz


In meinem neusten Buchprojekt mit dem Arbeitstitel "Elderhood - neue und faszinierende Perspektiven zum Alt&Weise-Werden" setze ich mich intensiv mit diesen Fragen in einer Spurensuche auseinander - gleichzeitig bemühe ich mich selber als Pensionär im "Unruhestand" in diesem Lebensabschnitt mit diesen Inhalten auf eine ganzheitliche Art und Weise umzugehen. Das Buch wird voraussichtlich in der ersten Hälfte dieses Jahres 2025 erscheinen. 

700-jährige Silberlinde, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland