Fortbildung: Allgemeine Ganzheitsmedizin - Grundlagen
Der Begriff "Ganzheit":
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Ganzheit (Duden)
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das Ganzsein, Ungeteiltsein; aus zusammengehörigen Teilen bestehende Einheit; Geschlossenheit
Eine Ganzheit ist bekanntlich immer mehr als die Summe ihrer Einzelteile, d.h. da sind mehrere Dimensionen gleichzeitig vorhanden.
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Dimensionen der Ganzheit (grundlegende, integrale Betrachtung):
- Subjektiv und individuell kann ich Ganzheit als etwas Ganzes, Rundes, Vollständiges empfinden; sie ist individuell, unwägbar, unteilbar, kaum objektiv messbar. Sie ist eigentlich etwas Mysteriöses und auch Spirituelles; ich erlebe einen Sonnenaufgang ganz, mit Haut und Haaren.
- Gibt es eine objektiv-äusserliche, individuelle Ganzheit …? Ja, z.B. als vollständiger, zahnärztlicher Befund bei meinem kariösen Backenzahn: zweiter Backenzahn unten rechts, Karies im Zwischenraum gegen hinten, bis auf den Nerv gehend (in Fachausdrücken: Karies profunda an 47 distal).
- Unter speziellen Bedingungen gibt es auch ein kollektives, inneres Erleben, Erfahren einer Ganzheit, z.B. als Erfahrung in einer Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel: Fussballmannschaft wartet auf das Finalspiel nach einer durchgespielten Saison samt Trainer.
- Und wir können das Land Schweiz als Beispiel einer kollektiven, äusseren Ganzheit eines Staatswesens nehmen: Direkte Demokratie, Grösse: 41285 km2, 26 Kantone, das nationale Netz der SBB, … etc.
Beim Ganzheitsbegriff sprengen wir ganz offensichtlich den begrenzten Rahmen der engeren, heutigen, wissenschaftlichen Betrachtungsweise von Objektivität und Subjektivität. Wer sich grundsätzlich einmal mit einer modernen, ganzheitlichen, sog. integralen Sichtweise beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Einführung hier.
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Ganzheitlich wird etwas, wenn es uns als Individuen gelingt achtsam, ohne Vorurteile unser Gesichtsfeld zu öffnen, weit werden zu lassen, wenn wir neben den Fakten und unserem erlernten Wissen (linke Hirnhälfte) auch das Intuitive, Spontane, Kreative (rechte Hirnhälfte) in uns zulassen, einbeziehen und beide zusammenführen können; wenn wir permanent offen bleiben können weiter zu lernen und es aushalten, dass es nie ganz vollständig sein wird und immer noch vollständiger werden will; Ganzheitlichkeit ist letztendlich eine Form der Meditation …
Ganzheitlich ist, wenn wir z.B. in einer Tätigkeit als Therapeuten neben einem lebendigen, fundierten, und aktuellen Wissen und einer langjährigen Berufserfahrung auch diese intuitive und auch spirituelle Komponente in uns innen kultiviert und integriert haben; nicht nur als Theorie oder inneres Erleben, sondern in der aktiven Umsetzung im Aussen, im Kollektiven, am Patienten.
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Tiefe Ganzheitlichkeit erleben wir bei unseren Alten (Bäume, Tiere und Menschen) als Ruhe, als Fähigkeit zu einer Gesamtschau, als Weisheit. Dies aber nur, falls wir in der Lage sind v.a. auch den alten Menschen diese Eigenschaft wieder zuzuerkennen in einer Gesellschaft, in der es negativ, lästig, defizitär und uncool gilt, älter zu werden oder gar alt zu sein ...
Die Dimensionen einer Erkrankung im Bild des "Eisberges"
Wenn es darum geht, über die ganzheitlichen Dimensionen einer Erkrankung zu sprechen, brauche ich oft das Bild des Eisbergs. Es gibt einen kleinen Teil des Eisbergs, das aus dem Wasser schaut. Er stellt die aktuellen Symptome bzw. den Teil der Ursachen dar, den wir wahrnehmen können.
Und es gibt einen erheblich grösseren Teil des Eisbergs der im Wasser eingetaucht schwimmt und den wir nicht wahrnehmen können - also die sog. latenten Symptome und Ursachen die wir vordergründig nicht erkennen können. Diese sind sehr gut mit komplementär-medizinischen, diagnostischen Testungen darstellbar und können so auch einbezogen werden.
Die 3 Standpunkte bei einer ganzheitlichen Betrachtung:
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- Detailbetrachtung: Ein Element bzw. ein Einzelaspekt eines Elementes sollte einzeln im Detail angeschaut und wissenschaftlich untersucht werden - so als ob es dann in diesem Moment nur gerade es gäbe! Wir blenden dafür alles andere aus und schauen durch unsere Lupe auf die Vergrösserung des Einzelteils und staunen über die feinen Details, die feinen Linien darauf. Beispiel: wir betrachten ein Blatt eines Baumes mit seinen feinen Adern, mit der Lupe sehen wir noch mehr und unter dem Mikroskop weitere Details.
- Übersichtsbetrachtung: Genauso wichtig ist die Betrachtung aller Teilaspekte einer Problematik in der Übersicht als Panorama nebeneinander - wenn wir sie alle nebeneinander auf einen grossen Tisch ausbreiten und hinlegen. Für die Übersicht darauf können wir ja noch zusätzlich dafür auf einem Stuhl stehen oder das Ganze mit einer Drohne von oben filmen.
Beispiel: wir schauen mit dem "Drohnenblick" die Landschaft, die Bäume, den Baum unter den anderen Bäumen und ganz klein auch seine Blätter als intensives Grün.
- Meditative Betrachtung: Und dann geht es um die Meditation der Betrachtung von allem gleichzeitig, als unfocussiertes Wirkenlassen auf uns, als Loslassen ins Ganze, als Synchronizität. Und so gelingt es uns dann ein Mosaik als Gesamtkunstwerk zu sehen.
Beispiel: wir sitzen auf einem Berggipfel und entspannen uns. Mit der Zeit nehmen wir mit all unseren Sinnen das ganze Panorama in seiner Vielfalt und Schönheit wahr, ohne mehr die Details genau anzuschauen.